Die Lebensgeschichte erzählen: Wow, toll, Deine Eltern sind Schauspieler?

Theater

Aquarellfarben sind toll. Sehr kräftig. Besonders das Rot. Roooooot!!!!


Ist das jetzt irgendwie autobiografisch?


Mh. Toll. Also erstmal vorweg: Es ist eine verdammt gute Strategie zu schwadronieren, statt sich seltsamen Gefühlen hinzugeben. Findet der Dachs auch und muss daher bisschen was Soziologisches loswerden. Wenn ein Dachs - oder ein Mensch - im Alltag über sein Leben spricht, so wird von ihm immer in Bezug auf jetzige soziale Situation erzählt, mit dem Motiv des Erreichens einer bestimmten sozialen Wirkung. Das Sprechen über die eigene Lebensgeschichte kann also verschiedene Funktionen erfüllen. Fuchs-Heinritz (neein, nicht Dachs-Heinritz!) hat sie in seinem Buch „Biographische Forschung“ zusammengestellt:


  • Erzählungen aus dem eigenen Leben kann die Funktion der Unterhaltung erfüllen, das geschieht dann meist mit Übertreibungen und leichten Veränderungen, da man seine Zuhörer ja nicht langweilen möchte. 
  • Sie kann auch der Übermittlung von Lebenserfahrung dienen, das ist oft der Fall, wenn beispielsweise Eltern ihren Kindern erzählen, wie sie bestimmte Situationen in ihrer Jugend gemeistert haben. Man nutzt Teile der eigenen Lebensgeschichte als Hinweis auf eigene Erfahrungen mit didaktischen Absichten. (z.B. in der Form: „Das Problem hatte ich auch mal, damals habe ich dann....“ ). 
  • Auch zum Nachweis sozialer Basiskompetenzen wie persönliche Besonderheit, Individualität, aber auch zum Nachweis der Normalität, d.h. dass man genauso ist „wie die anderen“, kann das Erzählen der eigenen Lebensgeschichte dienen. 
  • Ein wichtiges Motiv ist auch der Vergleich mit anderen. Das Sprechen über den eigenen Lebenslaufs kann auch die Funktion des Kennenlernens bzw. des besseren Kennenlernens erfüllen, man erklärt durch seine Lebensgeschichte, wie man zu dem geworden ist, was man ist und gibt dem Gegenüber durch das Erzählen aus dem eigenen Leben die Möglichkeit sich einzufühlen und beispielweise Problemsituationen, in denen man sich befindet, besser zu verstehen. 
  • Das aktuelle Handeln einer Person wird ebenfalls durch Teile seiner Biographie verständlich, weil man es erst dann in seinem Sinnzusammenhang sehen wird. Sieht man zum Beispiel im Wald einen Mann mit einer Axt, so wird der Sinn erst richtig verständlich durch Fakten aus der Biographie dieses Mannes: es kann beispielsweise daraus hervorgehen, dass dieser Mann seit Jahren einer Tätigkeit als Holzfäller nachgeht. 
  • Auch eine solidarisierende Funktion kann mit einer Unterhaltung über das bisherige Leben angestrebt werden: Je nach dem Umfeld, in dem man sich aufhält -  beispielsweise einer bestimmten Szene, zu der man gehören will- wird mit leichter Veränderung die eigenen Lebensgeschichte erzählt, um hier wiederum durch eine bestimmte Lebensweise aufgenommen und akzeptiert zu werden. 
  • In Frage kommt auch die Funktion der Entspannung eines Vorgesetztenverhältnisses, das wäre z.B. der Fall, wenn der Chef zur Auflockerung beim Betriebsausflug seinen Angestellten von seiner Ausbildungszeit, seinen Kindern usw. erzählt. Damit wird dann eine privatere Atmosphäre geschaffen, die für den Betriebsausflug geeigneter ist als die verkrampfte Stimmung des Büroalltags. 
  • Zudem hat die Darstellung der eigenen Biographie auch Funktionen, die nicht unbedingt das augenblickliche Gegenüber betreffen. Für den Erzähler der Lebensgespräche erweitern diese Gespräche mit anderen die Gesamterinnerung, und befähigen ihn so, die Lebensgeschichte überhaupt für sich selbst im Überblick zu behalten. 
  • Gleichzeitig besitzen sie auch eine gewisse Lernqualität: Oft werden nachträglich Alternativen gefunden, die man an einem bestimmten Punkt des Lebenswegs hätte wählen können und die einem bei zukünftigen Lebenskrisen bei einer Entscheidungsfindung nützlich sein könnten. Dabei kann es auch so sein, dass man zu dem Ergebnis kommt, die richtige Wahl getroffen zu haben, was dann zu einer Selbstbestätigung und somit Konturierung der Identität führt. 
  • Es kann sein, dass man mit dem Erzählen der eigenen Lebensgeschichte deren Akzeptanz bei anderen erproben möchte. Daher rührt zum Beispiel das Phänomen, dass Menschen im Zug einer völlig fremden Person, die sie aller Wahrscheinlichkeit nach nie wiedersehen werden, ihre komplette Lebensgeschichte erzählen.

Hallo, lenk doch nicht ab, Dachs!

Er wollte doch nur sagen: Insgesamt wird die Lebensgeschichte bei solchen Gesprächen ausgebaut und neu abgestimmt. Teile der Biographie, die offensichtlich nicht gut ankommen, werden weggelassen, einige Situationen werden noch einmal durchgespielt etc. Damit ändert sich auch die Selbstauffassung jedes Mal ein wenig. Und manchmal kann es auch wirklich helfen, es einfach mal aufzumalen statt zu erzählen - und das Bild erzählt dann vielleicht eine ganz andere Story. Die sieht man aber doch im Bild. 

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