Zweierlei Dachse mit verschiedenem Schicksal



Heute erzählt euch der Dachs mal ein Märchen, und zwar über Frau Hulli...

Ein lesbisches Paar hatte zwei Dachse, davon war der eine schön und fleißig, der andere hässlich und faul. Sie hatten aber den hässlichen und faulen Dachs viel lieber, und der andere musste alle Arbeit tun und der Dachsenputtel im Hause sein. Das arme Dächschen musste sich täglich auf die große Straße bei einem Brunnen setzen und so viel spinnen, dass ihm selbst Blut aus den Ohren kam. Nun trug es sich zu, dass der Dachs eines Tages in den Brunnen reinfiel, denn er war nicht nur schön und fleißig, sondern leider auch nicht besonders schlau...  
Er verlor die Besinnung, und als er erwachte und wieder zu sich selber kam, war er auf eine schönen Wiese, wo die Sonne schien und wo Blumen standen. Auf dieser Wiese kam er zu einem Backofen, der war voller Lasagne, die rief: »Ach, zieh mich raus, zieh mich raus, sonst verbrenn' ich: ich bin schon längst ausgebacken.« Da trat er herzu und holte sie heraus. Danach ging er weiter und kam zu einem Baum, der hing voll Äpfel, und rief ihm zu: »Ach, schüttel mich, schüttel mich, wir Äpfel sind alle miteinander reif.« Da schüttelte er den Baum, dass die Äpfel fielen, als regneten sie, und schüttelte, bis keiner mehr oben war; und als er alle in einen Haufen zusammengelegt hatte, ging er wieder weiter. Endlich kam er zu einem kleinen Haus, daraus guckte eine Frau, weil sie aber so eine große Klappe hatte, ward ihm Angst, und er wollte fortlaufen. Die Frau aber rief ihm nach: »Was fürchtest du dich, lieber Dachs? Bleib bei mir, wenn du alle Arbeit im Hause ordentlich tun willst, so soll dir's gut gehn. Du musst nur acht geben, dass du mein Bett gut machst und es fleißig aufschüttelst, dass die Federn fliegen, dann schneit es in der Welt; ich bin die Frau Hulli.« Weil die Alte ihm so gut zusprach, und der dumme Dachs wirklich jeden Scheiß glaubte, fasste sich der Dachs ein Herz, willigte ein und begab sich in ihren Dienst. Er besorgte auch alles nach ihrer Zufriedenheit und schüttelte ihr das Bett immer gewaltig, auf, dass die Federn wie Schneeflocken umherflogen; dafür hatte er auch ein gutes Leben bei ihr, kein böses Wort und alle Tage Gesottenes und Gebratenes. Nun war er eine Zeit lang bei der Frau Hulli, da ward er traurig und wusste anfangs selbst nicht, was ihm fehlte, endlich merkte er, dass es Heimweh war; ob es ihm hier gleich vieltausendmal besser ging als zu Haus, so hatte er doch ein Verlangen dahin. Endlich sagte er zu ihr: »Ich habe den Jammer nach Haus kriegt, und wenn es mir auch noch so gut hier unten geht, so kann ich doch nicht länger bleiben, ich muss wieder hinauf zu den Meinigen.« Die Frau Hulli sagte: »Es gefällt mir, dass du wieder nach Haus verlangst, und weil du mir so treu gedient hast, so will ich dich selbst wieder hinaufbringen.« Sie nahm den Dachs darauf bei der Pfote und führte ihn vor ein großes Tor. Das Tor ward aufgetan, und wie der Dachs gerade darunterstand, fiel ein gewaltiger Goldregen, und alles Gold blieb an ihm hängen, so dass er über und über davon bedeckt war. »Das sollst du haben, weil du so fleißig gewesen bist«, sprach die Frau Hulli und der Dachs befand sich oben auf der Welt. Da saß der Hahn, der gerade furchtbaren Mundgeruch von ollen Würmern hatte, auf dem Brunnen und rief:
»Kikeriki, unser goldener Dachs ist wieder hie.« Der goldene Dachs wurde sogleich an eine garstige Prinzessin verheiratet und ärgerte sich bis ans Ende seiner Tage über die unpraktischen Goldklumpen in seinem Fell. 

Dümmlich jammernd erzählte er alles, was ihm begegnet war, und als seine Besitzerinnen hörten, wie er zu dem großen Reichtum gekommen war, wollten sie dem andern, häßlichen und faulen Dachs gerne dasselbe Glück verschaffen (und sich selbst vielleicht auch ein bisschen Gold, aber das sagten sie nicht).Der faule Dachs sprang selber hinein in den Brunnen, und zwar vorsichtig. Er kam, auf die schöne Wiese und ging auf demselben Pfade weiter. Als er zu dem Backofen gelangte, schrie die Lasagne wieder: »Ach, zieh mich raus, zieh mich raus, sonst verbrenn ich, ich bin schon längst ausgebacken.« Der faule Dachs aber antwortete: »Da hätt ich keine Lust auf verbranntes Essen, ich geh zu Meckes«, und ging fort. Bald kam er zu dem Apfelbaum, der rief: »Ach, schüttel mich, schüttel mich, wir Äpfel sind alle miteinander reif.« Er antwortete aber: »Du kommst mir recht, es könnte mir einer auf den Kopf fallen«, und ging damit weiter. Als er vor der Frau Hulli Haus kam, fürchtete er sich nicht und verdingte sich gleich zu ihr. Am ersten Tag tat er sich Gewalt an, war fleißig und folgte der Frau Hulli, am zweiten Tag aber fing der Dachs schon an zu faulenzen, am dritten noch mehr, da wollte er morgens gar nicht aufstehen. Er machte auch der Frau Hulli das Bett nicht, wie sich's gebührte, und schüttelte es nicht, dass die Federn aufflogen. Das ward die Frau Hulli bald müde und sagte ihm den Dienst auf. Der faule Dachs war wohl zufrieden; die Frau Hulli führte ihn auch zu dem Tor, da der Dachs aber nicht bescheuert war, ließ er sich hier von gar nichts begießen. So musste er auch keinen Prinzen und keine Prinzessin heiraten und konnte sein gemütliches Leben weiter genießen. 

(frei nach Ellwen May Bungert)

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