Bekömmliche Dinge und Ess-Störungen als Picknick-Collage

Picknick auf der Wiese

Danke Edeka, für diese phantastische, inspirierende Essenszeitschrift. Ihr liebt die Lebensmittel, ich die Collagen. Und nun brauchte ich tatsächlich mal Din A 0. Der Untergrund ist mit Wasserfarbe gemalt. Was man sonst braucht: Einen großen Tisch, Schere, Zeit und Windstille.

Caravaggio hat begonnen mit seinem „Korb mit Früchten“ - und nun, 418 Jahre später haben der Dachs und ich dieses Picknick gezaubert. Heute isst man halt anders. Das Bild ist in einer Zeit entstanden, die geprägt war von einem gewissen Mangel an qualitativ gutem Essen einerseits und einer Atmosphäre, in der so einiges auf den Tisch kam andererseits.


Psychodachsstörung: Ess-Störung!

Essstörungen sind eine Reaktionsweise auf bestimmte Bedingungen, die in einer Gesellschaft vorgefunden werden. Eine wichtige, aber bei weitem nicht die einzige Rolle, spielt hier das Überangebot an Nahrungsmitteln. Denn dieses Überangebot besteht für beide Geschlechter gleichermaßen, Betroffene sind jedoch zu 95% Frauen. Esstörungen können sich in verschiedenen Formen äußern: Dazu zählt vor allem die Magersucht, die Adipositas und die Bulimie, es treten aber auch Mischformen und Kombinationen dieser verschiedenen Störungen auf, so dass sie oft nicht eindeutig voneinander abzugrenzen sind.

Essanfälle und kotzende Dachse

Das psychische Erleben ist komplex.  In jedem Fall aber resultiert bulimisches Essverhalten aus Störungen des Selbstgefühls. Das Selbstgefühl wird beschrieben als das Gefühl, im eigenen Körper zu Hause zu sein, und das Vertrauen darauf, die eigenen Verhältnisse autonom gestalten zu können. Also das Gefühl, selbst als eigenständige Person zu existieren und die Fähigkeit dies auch selbst, ohne Hilfe von Außen, zu spüren. Das Selbstgefühl wandelt sich im Laufe des Lebens und wird mehr und mehr durch kognitive Faktoren bestimmt: Beim Säugling geht es noch um körperliches Wohlbefinden, beim Kleinkind spielen Erfahrungen eigener körperlicher Fertigkeiten und Anerkennung durch die Eltern eine Rolle. Bei den Großen schließlich kommt der Vergleich mit anderen hinzu, und ab der Adoleszenz besteht der Vergleich mit einem abstrakten Selbstideal.  Die Diskrepanz zwischen diesem Selbst- Ideal und der Selbstwahrnehmung ist das Problem. Bulimikerinnen empfinden innere Leere, die sie mit Nahrungsmitteln füllen wollen, bei gleichzeitiger räumlicher Trennung von anderen Menschen, den eigentlichen Wunschobjekten ihrer Triebe. Nachdem sich die Nahrungsmittelfüllung als schlechter Ersatz erwiesen hat, folgen für die Bulimikerin Schuldgefühle, die durch das Erbrechen kompensiert werden sollen: Erstens steht hier der Versuch, den Essanfall wieder rückgängig zu machen, und zweitens die Selbstbestrafung, denn der Akt des Sich- Übergebens wird als erniedrigende, ekelerregende Handlung empfunden und schadet zudem dem Körper. Durch das Sich- Erbrechen hat die Bulimikerin nun auch wieder Kontrolle über sich selbst erlangt. Der ganze Vorgang hat ihr auch die Abgrenzung von Anderen verschafft, die sie braucht um ihr Selbstgefühl wenigstens teilweise herzustellen.

Das Essen in der Gesellschaft

Seit der Industrialisierung hat sich die Nahrungsverfügbarkeit hinsichtlich Qualität, Quantität und Verfügbarkeit für alle Menschen nach und nach gesteigert: In den Industrienationen kann sich jeder auch hochwertige Nahrungsmittel zu jeder Zeit leisten, Hungersnöte finden nicht mehr statt. Im Gegenteil, es besteht ein Überangebot an Nahrungsmitteln, die nun nach Marktgesetzen (Absatzinteresse und Nachfrage) produziert werden. Angesichts des Strebens nach Expansion muss die Nahrungsmittelwirtschaft heute Bedürfnisse beim Konsumenten wecken, um sich ausreichende Nachfrage zu sichern. Das geschieht, indem Nahrungsmitteln auch Bedeutungen zugesprochen werden, die außerhalb der Ernährung selbst liegen. Der Nahrungskäufer muss deshalb nach Kosten- und Nutzengründen die Nahrung auswählen, die er zu sich nehmen möchte. Hier haben sich die Kriterien mit veränderten Funktionen des Essens gewandelt: Seit langem diente Essen schon dem Ausdruck sozialer, ethnischer und geschlechtlicher Identität. So aß die Oberschicht immer anders als die Unterschicht, bei verschiedenen Völkern wurden bestimmte Speisen bevorzugt und Männern wurden die kräftigen, Frauen die eher leichten Nahrungsmittel zugeordnet. Bei der Auswahl der Nahrungsmittel spielten ökonomische Gründe und soziale Bestimmungen, wie etwa regionale Gepflogenheiten, bestimmte Festtage mit festgelegten Gerichten und religiöse Gebote die Hauptrolle. Die Auswahl der Nahrungsmittel findet heute nach individuellen Kriterien im Hinblick auf bestimmte gewünschte Effekte statt. Solche Effekte sind beispielsweise das Sparen von Geld oder Zeit, das Bekämpfen von Hautunreinheiten oder die Gewichtskontrolle. Sie sind im Gegensatz zum früher vorherrschenden Effekt satt zu werden meist nur langfristig erreichbar. Ehemalige Auswahlkriterien bei der Nahrungsaufnahme sind durch  Genuss und Sorge um Gesundheit und Schönheit abgelöst worden.

Dachs, was nun?

Tja. Es langsam angehen. Tipps wie: "Du musst mehr Sport machen und abends Low-Carb-Essen" einfach abnicken. Kommentare wie: "Es sieht nicht schön aus und gesund ist es auch nicht" bitte als Frechheit werten und abwehren. Und sonst: Mal warten wie sich die Sache entwickelt, was in Jahrzehnten heranreift geht nicht in einem Jahr weg. 



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