Systemische Auf- und Ausstellung



Du willst den Zucker


... aber Du bekommst eine leere Flasche. Und womöglich den Pfeffer.

Du fragst nach dem Zucker und bekommst den grünen Ablenkvogel. Und dann die Flasche. Und dann das Salz. 
So kann man in jedem Fall jemandem erklären, dass er sein Leben selbst gestaltet und das leider auch aus dem Unterbewusstsein heraus. Und dieses will, wie wir wissen, nicht immer nur Dein Bestes.

Nun ist es auch ganz nett, das Ganze zu verdeutlichen, und dazu kann man - beispielsweise, denn sie tut noch viel, viel mehr - die systemische Aufstellung nutzen. 


Aufstellung? Bert? Hellinger?

Die meisten denken jetzt spontan an Hellinger und harsche Kritik an seinen Familienaufstellungen. Ok, ok, Dachs, Du hast Recht - manche auch nicht, die wissen nämlich dann vielleicht gar nicht, wer das ist. 

Bert Hellinger (bürgerlich Anton Hellinger; * 15. Dezember 1925 in Leimen) ist ein deutscher Buchautor, Psychoanalytiker und als „Familientherapeut“ tätig. 1952 zum Priester geweiht, war er viele Jahre lang Leiter einer südafrikanischen Missionsschule. Seit den späten 1970er Jahren entwickelte er, unter Abwandlung von Methoden der systemischen Familientherapie, mit seiner Form der Familienaufstellung eine von ihm selbst als „Lebenshilfemethode“ bezeichnete Gruppenarbeit. Bei der Aufstellungsmethode nach Hellinger handelt es sich nicht um ein eigenständiges Verfahren der Psychotherapie. Hellingers zugrunde liegendes Konzept und sein Umgang mit Klienten sind stark umstritten. (Wikipedia)

Die Geschichte von der Bionade, dem Zucker und dem kleinen Pfefferstreuer

Männer mit Pansensuppe, Touristen mit Gözleme, strickende Frauen mit Tee und Menschen mit verkorkster Alltagsgestaltung mit einer Bionade. Also halt immerhin grün und Bio. Ein normaler vormittag bei Klas.

Die Bionade wunderte sich - "in welchem Film bin ich? Welcher Plot ist das?" Ihr langer Hals überragte das Geschehen deutlich, und trotz der eingerissenen papiernen, retrobunt gemusterten Umhüllung konnte man den Preis vergangener Zeiten noch erkennen. Das war nicht Erikli in der Plastikflasche, das für 1 € über den Bäckereitresen geht. Gut, sie war leer, aber ist sie nicht grün gewesen? Mit Matchapulver? Und ist das nicht doch besser, als Kollege Mezzomix, der beleidigt im Kühlregal steht? 

"Ein bisschen recht hat sie" dachte die Zuckerdose bei sich, die lange Zeiten ihres Lebens - mindestens in den 70er, 80er und 90ern, bevor die Bäckerei Klas überhaupt exististierte - gerne ein Zuckerstreuer gewesen wäre. Ein Streuer, den die Menschen anfassen, in ihren Händen bewegen, ganz umschließen und schließlich mit festem Griff und dem nötigen Gefühl kippen, um etwas Inhalt in den Kaffee zu bewegen. Sie selbst war immer etwas argwöhnisch betrachtet worden - offen, zugänglich für jedermanns Speichel und niemals sicher vor umherfliegenden Bakterien. Die Kreuzberger hatten dennoch immer den Löffel in sie getaucht, da war man hier nicht zimperlich. Aber das Verhältnis war nicht das gleiche. Der misstrauische Blick, den so mancher in sie warf, das Glas zwar gefühlvoll aber dennoch ruckartig nach links und rechts schüttelnd. Der Löffel, der sich tief nach unten bohrte, um bloß nicht die verklebten Zuckerkristalle der Oberfläche in das eigene Getränk zu schaufeln, obgleich hier ohnehin die Kristalle im heißen Kaffee verschmelzen würden. Beim Gedanken an diese Zeit vor der Jahrtausendwende seufzte die Zuckerdose. Ihr Durchhalten hatte sich gelohnt. Im Rahmen der Shabby-Chic-Bewegung hatte man ihr einen gewissen Retro-Charme zugesprochen. Andere Zuckerdosen, die ihre silberfarbenen Deckel längst in einer der Spülmaschinen verloren hatten, taten es ihr nach und standen fortan in diesem natürlichen Look des "alten" Kreuzbergs da - obgleich im alten Kreuzberg niemand je das Auftauchen alter Einmachgläser gefeiert hätte. Die Zuckerdose wurde letztendlich mit einem Stück alter Paketschnur geschmückt, um den Look zu perfektionieren - ein Verdienst der 15-jährigen Praktikantin Hülya, die längst verstanden hatte, das Auftauchen von Air BnB Touristen im Kiez zu eigenem Geld zu machen. Zucker im alten Terpentinglas und gesund anmutende Limo der Marke BioZisch - das ging fortan gut zusammen. 


Der Pfefferstreuer wartete, klein und bescheiden, indes noch auf bessere Zeiten. Klar, es war die Zeit der Blasensteingroßen Salzkörner aus dem Himalaya und klar, Pfeffer musste in großen Keramikmühlen mit scharfen Spezialmessern irgendeiner Minimessermanufaktur in Mitte gemahlen werden - aber das hätte den Used-Look hier "übelst krass" zerstört, wie der Kunstkenner von heute sagt.  Er hatte sich mit seinem Platz in der Welt abgefunden und sprach gerne sein Nischenpublikum an, das sich nicht, wie hier allgemein üblich löffelweise gemahlende Chilis in die Mercimek corbasa häufte. 

Insofern stand er da, mit weißem Pfeffer aus einem kleinen unscheinbaren Plastiktütchen gefüllt und gönnte den anderen den Glanz.Der Zuckerdose, der Limonade und den beiden Damen in Begleitung eines Dachses, denen die drei erst jetzt Aufmerksamkeit schenken wollten. 

Eine der Damen, die einen kleinen Dachs auf dem Schoß hielt, sprach aufgeregt davon, wie schön es denn sein könnte, wenn sie ihr Leben gestalten könnte wie eine Flasche Limonade: sauer, erfrischend, schick und doch irgendwie nur süß. "Quatsch", unterbrach die andere. "Du willst das" und stellte mit Nachdruck die Zuckerdose auf den Tisch. "Aber das kriegst Du nicht. Du kriegst immer nur das!". Damit schob sie plötzlich den kleinen, unscheinbaren Pfefferstreuer in den Mittelpunkt des Geschehens. Dachs und Dame schauten fassungslos, begriffen aber, worum es ging: Um eine Diskussion, in der man anhand der unterschiedlichen Gegenstände diskutierten konnte, warum die eigene Strategie beim Glück des Lebens zuzugreifen immer so gründlich schief geht. 
Und wenn sie nicht --- äh was?  Du fragst Dich, wo Du hier gelandet bist? Zu Recht. Aber es könnte der Beginn einer langen Kunsttherapie mit dem Dachs werden.

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